New York bereitet sich auf den Hurricane Irene vor – Livebericht

So leer wie an diesem Tag hab ich die Stadt noch nie erlebt. Ich war schon im Sommer, im Winter, bei Regen, Scheechaos oder was auch immer hier. New York ist immer voller Menschen, Geschäfte haben immer auf, es ist tatsächlich die Stadt die niemals schläft.

Heute werden viele New Yorker auch nicht schlafen, das aber nicht aus den Gründen die es sonst so gibt, heute warten sie gespannt auf den Hurricane Irene. Es herrscht Ausnahmezustand, der aber koordiniert und besonnen.

Karte, Screenshot, Erde
Da braut sich was zusammen...

Auch wenn es in Deutschland Menschen gibt, die meinen die Amerikaner übertreiben eh immer und es wird schon nicht so schlimm sein, ich finde die vorbereitenden Maßnahmen durchaus besonnen und durchdacht.

Die Stadt ist in Zonen eingeteilt, wobei die Zone A zu der kritischen Zone gehört. Kritisch deshalb, da es tieferliegende Bereiche sind, die schnell überflutet werden können. Bürgermeister Michael Bloomberg hat die Evakuierung der Downtownbereiche angeordnet.

Nach Informationen des „National Hurricane Center“ wird Irene heute Nacht, also am Sonntag gegen 1 – 2 Uhr morgens New York erreichen.

Besonders betroffen sind natürlich alle direkten Küstenbereiche. Neben ConnyIsland Beach natürlich auch Downtown Manhatten, Jersey City, Hobooken etc. In Hobooken ordnete Polizeichef Falco dazu auch noch einige andere Maßnahmen an. Ab 20 Uhr Ortszeit am Samstag, dem Tag vor dem erwarteten Sturm, ist das ausschenken von Alkohol verboten. Private Autos dürfen nicht mehr bewegt werden, Taxen fahren ebenfalls nicht.

Auch in fast allen anderen Bereichen ruht der öffentliche Verkehr. In New York verkehren die letzten Busse am Samstag Abend, diese aber nur zu den Sheltern, also den Aufenthaltsbereichen für die Personen die nicht anderweitig unterkommen. Sämtliche MTA U-Bahnen, Amtrak Züge, NJ Transit, Path und alle Busslinien stellen den Verkehr ein. Ebenfalls werden die Flughäfen New York JFK, Newark (EWR) und La Guardia (LGA) am Samstag Abend vorsorglich geschlossen.

Für die gelben Autos, die Taxis gelten besondere Regeln. Die Preise für Taxen richten sich heute und morgen nach Zonen. Fahrten innerhalb einer Zone kosten 10 US$, in jede weitere 5US$ extra.

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Parken ist in NY heute und morgen erlaubt, kostenfrei versteht sich. Soweit man schauen kann ist die Stadt leer. Hier und da sind Touristen unterwegs und schauen in verschlossene Schaufenster und abgeriegelte Geschäfte.

Apple hat Glück im Unglück. Der Glascubus an der 5th Avenue ist derzeit eingerüstet und wird gebaut. So sieht es normalerweise da aus:

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Gerade so ein Glasbau ist ja nicht unbedingt der perfekte Schutz vor einem Hurricane. Gestern war ich kurz im AppleStore und unterhielt mich mit einem Verkäufer. Es ist das erste Mal, das dieser Store geschlossen wird. Dazu muss man wissen, der Apple Vorzeigeladen ist sonst immer auf. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden. Egal ob Weihnachten, Ostern, Sommer oder Winter- der ist offen. Apple bedauert sehr, das man mit seiner Tradition brechen müsse, meint der junge Herr im Store. Aber zur Sicherheit für Personal und Besucher bliebe nichts anderes übrig. Und es nütze ja nix, wenn die neuen Geräte nach dem Kauf draußen wegfliegen würden, meint er mit einem Lächeln. Der Hinweis an der Tür heute ist ebenso Apple-typisch. Kein gedruckter Zettel wie in fast allen anderen Läden, ein extra Schild im Apple Style informiert über die Schließung.

DSC03021.jpgDen Nachbarläden geht es nicht anders. In der ganzen Stadt das selbe Bild. Schaufenster werden verbarrikadiert, Sandsäcke vor die Türen gelegt und die Schaufenster so weit als möglich leer geräumt. Sieht schon sehr nach einem Ausnahmezustand aus. Hier mal ein paar Eindrücke von meinem Spaziergang durch die Straßen vorhin.

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Das Leben in der Stadt die niemals schläft kommt fast zum Erliegen. Theater und Musicals fallen aus, Straßen sind gesperrt, vorwärts geht es nur noch zu Fuß oder mit einem Taxi und Hotels bereiten sich auf den Ansturm vor. Wo sonst kaum Menschen in der Lobby sitzen werden Gesellschaftsspiele gespielt. Hier im RitzCarlton Central Park hat man einige davon extra angeschafft „damit den Gästen nicht langweilig wird“, erzählt der Concierge.

Taschenlampen, Knicklichter und Batterien haben Hochkonjunktur. So wie hier in einem DuaneReade sieht es fast überall aus. Batterien werden Mangelware.

DSC03045.jpgDoch es gibt auch glückliche Leute heute. Ich meine nicht die Regelschirmverkäufer oder Taxifahrer. Bei meinem laufen durch die Stadt fallen mir einige Menschen vor einer Kirche auf. Nach kurzem Warten das Erwartete. Die passende Limousinen fahren vor- heute ist Hochzeit. Den Vater der Braut, der am Rande steht spreche ich an. „Tja, das kann man sich nicht aussuchen und nun schauen wir das wir schnell ins Hotel kommen. Zum Glück kamen fast alle Gäste gestern schon und bleiben im Hotel. Da keiner mehr fahren muss, wird es eine lange Feier.“ antwortet er mit einem etwas gedrückt wirkenden Lächeln und weiter „den Hochzeitstag werden das Brautpaar und die Gäste bestimmt nicht vergessen“.

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Oft bin ich in den letzten Stunden gefragt worden, ob ich Angst hätte. Nicht nur von den Menschen hier, auch oder gerade aus Deutschland kommt diese Frage. Und dazu die Frage, warum ich vorgestern geflogen bin, wo ich doch da schon wusste das es einen Sturm gibt.

Die letzte Frage lässt sich leicht beantworten. Ich war im Flieger, da wurden die Berichte konkreter und es verdichteten sich die Hinweise das es NY stärker treffen könnte. Natürlich hätte ich in den nächsten Flieger oder Zug steigen können und weiter fahren/ fliegen. Überlegt hatte ich das. Ich hatte aber zum einen eine ganze Reihe von Terminen hier, zum anderen ist überstürztes Handeln eh „nicht so meins“. Da ich nicht in der Evakuierungszone in Downtown bin (bzw. nicht in das Ritz Carlton Battery Park umgezogen bin wie für heute geplant), geht es mir hier ganz gut. Ich hoffe das bleibt so.

Und zur ersten Frage. Nein, Angst hab ich hier keine. Das liegt aber auch daran, das es hier nach perfekter Organisation aussieht und es den Anschein hat, alles im Griff zu haben. Krankenhäuser sind evakuiert, medizinische Versorgungszentren eingerichtet in den Gebieten, die nicht von Flut bedroht sind. Die Amerikaner selbst strahlen extrem viel Gelassenheit aus und „harren der Dinge die da kommen“. Ein älterer Herr, den ich gestern Abend in der Lobby traf erzählte mir: „Ich komme aus dem Süden und musste zu Hause alles liegen lassen und den Küstenstreifen verlassen. Was noch da ist, wenn ich zurück kehre- ich weiss es nicht. Aber ich bin hier und versuche mich etwas abzulenken, ändern kann ich es eh nicht.“

Worum er sich die größten Sorgen mache, frage ich ihn. Er schaut unter den Tisch und sagt: „um ihn hier“. Unter dem Tisch liegt ein kleiner, weiss-brauner Hund. Ich kann mit ihm ja nicht raus, DAS ist ein Problem.“ antwortet er mit einem Lächeln.

Und nun, nun werde ich was Essen, mich in die Lobby zu den anderen setzen und bestimmt den einen oder anderen netten Menschen treffen und mich etwas unterhalten. Dann hoffen wir wohl alle, das es nachher wieder so aussieht.

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