Ich hatte in den vergangenen Jahren sehr viel Glück was verspätete Flüge angeht und in in den meisten Fällen auch sehr entspannt. Dennoch habe ich heute einige Gespräche in der Lounge in Düsseldorf und dann später auch im Flieger bei airberlin mitbekommen, welche mich zu diesen Artikel veranlasst haben. Anscheinend herrscht doch sehr viel Ungewissheit und viele von Euch wissen nicht einmal das Euch unter bestimmten Umständen Geld zusteht. Das wiederum ist schade, denn so verschenkt Ihr vielleicht Geld was sie anderweitig für schöne Reisen einsetzen können.
Mein Flug ist verspätet und nun?
Zunächst einmal müssen mehrere Fakten zusammengetragen werden, um überhaupt zu überprüfen ob es einen Anspruch auf Entschädigung gibt. Dabei solltet Ihr die Informationen zu Eurem Flug parat haben, also
- Flugnummer
- geplante Abflug- und Ankunftszeit
- Bordkarte in Kopie oder als Foto
Weiterhin sind Informationen darüber nötig, wann ihr tatsächlich angekommen sind und wie viel Verspätung sich daraus errechnet. Dabei zählt nicht, wie von den Fluggesellschaften gern behauptet das Aufsetzen auf der Landebahn, denn damit kann ein Passagier noch lange nicht aussteigen. Maßgebend für die Berechnung der Verspätung ist laut einem Urteil des europäischen Gerichtshofes (Az. C-452/13) das Öffnen der Türen. Dabei muss zudem sichergestellt sein, dass der Passagier dort dann auch aussteigen kann.
In der Praxis ist es ganz hilfreich, irgend einen Nachweis darüber zu haben. Das können Zeugen sein, also andere Passagieren, aber auch ein Screenshot oder ein Foto von der Anzeigetafel im Flughafen, um die Verspätung oftmals angezeigt wird, kann ein solches „Beweismittel“ sein.
Mit all diesen Informationen lässt sich dann prüfen, ob es einen Anspruch auf eine sogenannte Ausgleichszahlung gibt.
Gegen welche Fluggesellschaften habe ich Ansprüche?
Die Verordnung gilt für alle Flüge die innerhalb der EU starten oder von einer europäischen Fluggesellschaft durchgeführt werden Beginnt der Flug aber nicht ind er EU, so ist die entscheidende Frage ob dieser von einer Europäischen Fluggesellschaft durchgeführt wird. Zum besseren Verständnis zwei Beispiele:
1.) Ihr fliegt mit Lufthansa oder auch airberlin von Deutschland nach Istanbul in der Türkei.
Egal ob Hin- oder Rückflug, auf beiden Strecken habt Ihr Anspruch auf Entschädigung durch die Fluggastrechteverordnung der EU, denn es handelt sich um eine EU Airline.
2.) Ihr fliegt von Deutschland in die Türkei mit Turkish Airlines
Dann stehen Euch bei Verspätung auf dem Hinflug die Entschädigungen zu (denn hier war der Abflug in der EU), auf dem Rückweg erhaltet Ihr aber bei Verspätungen kein Geld, da der Flug von einer Airline durchgeführt wird, die den Sitz nicht in der EU hat.
Billigflieger, Charterflieger, Pauschalreisen
Das was ich eben gerade für die Linienflieger schrieb, gilt aber nicht nur für die. Auch wenn Ihr mit einer Billigfluggesellschaft unterwegs seid, es sich um einen Charterflug handelt oder Ihr eine Pauschalreise gebucht habt, in jedem Fall die gleichen Regeln. So kann es gerade bei Billigfliegern schnell passieren, das ein Ticket für 30 Euro eine Entschädigung von 250 Euro auslöst.
Der Preis den ihr für Euer Ticket bezahlt habt, oder das was eure Pauschalreise gekostet hat spielt hier überhaupt keine Rolle. Die Entschädigung richtet sich nach Faktoren wie der Entfernung und der Verspätungsdauer, aber keinesfalls ausgerichtet.
Verspätung – Welche Ansprüche habe ich gegen die Fluggesellschaft?
Bereits ab einer Verspätung von 2 Stunden gibt es einen grundsätzlichen Anspruch gegen die Airline. So muss die Fluggesellschaft ab einer Verspätung von 2 Stunden Snacks und Getränke anbieten und diese für die Fluggäste kostenlos zur Verfügung stellen. Viele Fluggesellschaften tun das nicht selbst, sondern händigen euch hierfür einen Voucher aus, den Ihr in den Restaurants oder Geschäften des Flughafens einlösen können. Davon lassen sich dann Getränke oder Snacks kaufen.
Bei meiner Verspätung heute habe ich dieses allerdings nicht genutzt, ich saß in der Lounge und hatte wenig Motivation herunter zu laufen um mir einen Voucher am Gate holen zu wollen. Für alle Fluggäste die das tun wollen, steht dieses jedoch zur Verfügung. Dabei spielt es auch keine Rolle ob Ihr mit Eurem Status oder einem Business Class Ticket in die Lounge könnt.
Grundlage ist immer die EU-Fluggastrechte-Verordnung 261/2004
Ab einer Verspätung von 3 Stunden hingegen entsteht ein Anspruch gegen die Fluggesellschaft auf Entschädigung. Hierbei geht es nicht um die Erstattung des Ticketpreises, hierbei geht es darum einen festen, pauschalen Betrag zu bekommen, wenn der Flug verspätet ist.
Problem verpasste Anschlussflüge
Nun kann es ja durchaus passieren, dass durch einen verspäteten Flug ein Anschluss nicht mehr erreicht wird. Wer also bei dem ersten Segment noch pünktlich los fliegt, dann aber durch Verzögerungen die die Fluggesellschaft zu vertreten hat den Anschlussflug verpasst und nicht rechtzeitig am gewünschten Endziel ankommt, der soll grundsätzlich auch einen Anspruch haben. Urteil des Europäischen Gerichtshofes EuGH 26.02.2013, C-11/11. Dabei ist aber zu beachten, das der Bundesgerichtshof mit seinen Urteilen BGH, Urteile v. 13.11.2012 – X ZR 12/12 sowie X ZR 14/12 die Auffassung vertritt, der Anspruch muss für jeden Flug einzeln geprüft werden und somit muss auch der Anschluss in der EU starten.
Die Höhe der Entschädigung
… richtet sich nach der Flugstrecke.
Übersteigt die Verspätung hingegen fünf Stunden, so besteht ebenfalls ein Anspruch auf Rücktritt vom Flug. Dabei könnt IHR wählen, ob der (Teil-)Ticketpreis erstattet werden muss und Ihr kostenlos zum Ausgangspunkt zurück befördert werden müsst. Ebenfalls ist es möglich vom Flug zurückzutreten und dort dann die volle Erstattung des Ticketpreises zu verlegen. Die Fluggesellschaft muss diesem binnen 7 Tagen nachkommen, soweit zumindest die Theorie. Der Anspruch besteht immer an die durchführende Fluggesellschaft. Bei so genannten Codeshare Verbindungen (Hinweis: Das sind Flüge die unter eigenem Namen verkauft aber von einer anderen Fluggesellschaft durchgeführt werden) ist immer die ausführende Fluggesellschaft in Anspruch zu nehmen.
Ein Beispiel:
Ihr kauft Euch bei Etihad ein Ticket von Berlin nach Abu Dhabi. Dieser Flug wird als Etihad Codeshare Flug mit einer Etihad Flugnummer verkauft und Ihr habt auch ein Etihad Ticket. Durchgeführt wird der Flug aber von airberlin. Der Anspruch besteht somit gegen airberlin.
Nichtbeförderung – Welche Ansprüche habe ich gegen die Fluggesellschaft?
Werdet Ihr auf einem Flug nicht mitgenommen, weil die Maschine überbucht ist und damit kein Platz mehr zur Verfügung steht, so bestehen ebenfalls Ansprüche gegen die Fluggesellschaft. Dazu gehören:
- Erstattung des Ticketpreises
- frühestmöglicher Rücktransport zum Abflugort (falls es ein Anschlussflug war)
- oder frühestmögliche Beförderung zum Zielport
- Beförderung zum Zielort an einem anderen Wunschtermin (wenn Plätze frei)
Bietet die Airline Euch einen späteren Flug an, welcher NICHT SPÄTER als 2/3/4 Stunden nach dem eigentlich gebuchten Flug startet (bei Strecken von bis 1.500km/ 1.501-3.500 km/>3.500.km), so besteht der Anspruch auf Entschädigung (siehe oben) nur zu 50%. Auch hier sind dann aber ZUSÄTZLICH zum verspäteten Transport 100/ 200/ 300 Euro zu erstatten.
Streichung des Fluges – Welche Ansprüche habe ich gegen die Fluggesellschaft?
Wird ein Flug gestrichen, so bestehen hier natürlich ebenfalls Ansprüche, welche Ihr kennen solltet.
- Erstattung des Ticketpreises
- frühestmöglicher Rücktransport zum Abflugort
- anderweitige Beförderung zum Zielport (Bahn zum Beispiel)
- kostenlose Versorgung und (falls notwenig) eine Hotelübernachtung
Darüber hinaus besteht der Entschädigungsanspruch, den Ihr oben auf dem Bild seht. Informiert die Fluggesellschaft mindestens 14 Tage vor Abflug, so besteht ein solcher Anspruch nicht. Auch wenn mind. 7 Tage vor Abflug informiert wird UND ein Ersatzflug angeboten wird welcher nicht mehr als 2 Stunden früher startet und nicht mehr als vier Stunden am Endziel ankommt, auch dann besteht kein Anspruch. Erfolgt die Information zur Streichung erst weniger als 7 Tage vor Abflug und wird kein Ersatzflug angeboten (welcher nicht mehr als eine Stunde früher startet und nicht mehr als zwei Stunden später als geplant ankommt), so besteht der Anspruch auf Entschädigung jedoch.
Bietet die Airline Euch einen späteren Flug an, welcher NICHT SPÄTER als 2/3/4 Stunden nach dem eigentlich gebuchten Flug startet (bei Strecken von bis 1.500km/ 1.501-3.500 km/>3.500.km), so besteht der Anspruch auf Entschädigung (siehe oben) nur zu 50%.
Die Fluggesellschaft muss verantwortlich sein
Es gibt so genannte außergewöhnliche Umstände, bei denen die Fluggesellschaft jedoch nicht haftet. Dabei sind Streik, schlechte Wetterbedingungen und Sicherheitsrisiken von den Gerichten als außergewöhnliche Umstände anerkannt und sprechen die Gesellschaften von einer Entschädigung meist frei. Aber keine Regel ohne Ausnahme.
Die deutschen Gerichte sind mehrheitlich der Meinung, ein unerwartet aufgetretener Defekt ist KEIN solcher außergewöhnlicher Umstand. „weil jeder Defekt irgendwann einmal eintreten kann und damit als vorhersehbar gilt.“ Auch der Europäische Gerichtshof hat diese Auffassung mittlerweile bestätigt. Bei einem Vogelschlag sehen die Richter hingehen meist ein unvorhergesehenes Ereignis das nicht in den Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft fällt. Sabotage und Verspätungen wegen Terroranschlägen oder der Bedrohungslage sind hingehen wiederum solche, die eine Entschädigung verhindern, da diese auch von der Fluggesellschaft als „außergewöhnlich“ angesehen werden können, so der EuGH.
Bei den Einschränkungen durch den Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull besteht hingegen ein Betreuungsanspruch, wenn auch kein Anspruch auf Ausgleichszahlung. Also müssen Mahlzeiten und Erfrischungen und auch die Unterbringung gestellt und Telefonate ermöglicht werden.
Sind die EU-Fluggastrechte nicht anwendbar, heißt das aber nicht, dass der Betroffene keine Ansprüche hat: Neben der EU-Fluggastrechteverordnung gibt es in zahlreichen weiteren Staaten (etwa in der Türkei und den USA) ähnliche Fluggastrechte. Außerdem gibt es mit dem Montrealer Übereinkommen (MÜ) eine Art weltweiten Mindeststandard an Passagierrechten. Dieses Abkommen ist von den meisten Ländern weltweit unterzeichnet worden.
Besonderheit Streik: Generell besteht kein Anspruch auf Entschädigung bei Streik. Jedoch sehen es einige Gerichte teilweise nicht mehr ganz so klar, wenn ein immer wieder schwelender Streik (wie vor kurzem bei der Lufthansa) zu Verzögerungen kommt und dann dadurch Flüge abgesagt oder verspätet sind. Oftmals ist der Streik selbst gar nicht mehr der Auslöser, vielmehr die Tatsache das Flugzeuge nicht an dem Flughafen stehen, wo diese gebraucht werden.
Wie kommt Ihr zu Eurem Geld?
Wenn Ihr glaubt das ein solcher Anspruch gegen die Fluggesellschaft besteht, dann müsst ihr eure Ansprüche entsprechend anmelden. Dazu haben die Fluggesellschaften unterschiedliche Möglichkeiten geschaffen, von der einfachen Kontaktaufnahme über die Internetseite über spezielle Formulare oder andere Kontaktmöglichkeiten. Klickt einfach auf die folgenden Links oder über die Seite der Fluggesellschaft
- Lufthansa – Anmeldung von Fluggastrechten – Online Formular
- airberlin – Anmeldung von Fluggastrechten – Online Formular
- British Airways – Anmeldung von Fluggastrechten
- LOT – Anmeldung von Fluggastrechten
- Eurowings/ Germanwings – allgemeine Kontaktseite (mehr siehe unten)
- easyjet – Anmeldung von Fluggastrechten
- Ryanair – Anmeldung von Fluggastrechten
- Iberia – Anmeldung von Fluggastrechten
- Condor – Anmeldung von Fluggastrechten
- LOT – Anmeldung von Fluggastrechten
Falls die Gesellschaft kein eigenes Formular zur Verfügung stellt, so könnt Ihr Euch hier das Fluggastrechteformular herunterladen, ausfüllen und an die Fluggesellschaft schicken. Dazu solltet Ihr immer
- das Formular für Fluggastrechte
- die Kopie der Bordkarten
- wenn möglich einen Nachweis der Verspätung
- Nachweise aller entstandenen Kosten (wenn zusätzlich eingefordert)
beilegen um die Erstattung zu beschleunigen.
Das kann ich nicht allein
Ist Euch das alles zu viel und zu bürokratisch, so könnt Ihr auch verschiedene Dienstleister nutzen. Diese bieten eine Abwicklung der gesamten Erstattung von der Prüfung des Anspruches bis hin zur Überwachung der Zahlung und ggf. auch der Klage gegen die Fluggesellschaft. Damit diese das tun, nehmen die Anbieter eine Provision. Bei einer Erstattung von normalerweise 600 Euro gegen die Airlines (im besten Fall) erhaltet Ihr laut Website bei Flightright 421,50 € ausgezahlt, die 30% oder 178,50 € sind die Gebühren für die Durchsetzung.
Einigt sich hingegen der Vermittler (hier flightright) auf einen Vergleich, so liegt die Erstattung zwischen 0 und 421,50€, verliert Ihr/ flightright entstehen Euch keine Kosten.
Hier könnt Ihr die Entschädigung über flightright beantragen
Natürlich kann Euch auch ein Anwalt helfen die Kosten zu bekommen. Dabei solltet Ihr prüfen ob Eure Rechtsschutzversicherung diese Geltendmachung übernimmt. Falls ja, so bekommt Ihr am Ende bei Erfolg alles ausgezahlt und habt zudem kein Kostenrisiko.
Meine Erfahrung
Ich habe in allen Fällen bisher meine Entschädigung selbst geltend gemacht. Dabei hilft sicherlich das Eine oder andere Mal ein Status im Vielfliegerprogramm um die Bearbeitung zu beschleunigen. Aber: Auch Ihr könnt es durchaus auch erst selbst versuchen. Erst wenn die Fälle komplizierter sind und weitere Kosten entstanden sind, dann solltet Ihr Euch einmal um professionelle Hilfe gegen entsprechende Gebühr bemühen.